Der Generationswechsel im Ladenburger Gemeinderatsgremium ist gelungen – Die LAZ sprach mit den drei jüngsten Ratsmitgliedern über ihre Erfahrungen im ersten Gemeinderatsjahr
Die jungen Wilden am Ratstisch brauchen keinen Welpenschutz
Wenn sich ein junger Mensch auf ehrenamtlicher Basis, beispielsweise in einem Verein, für die Gesellschaft einsetzt, ist dies eine löbliche Sache. Noch höher ist das Engagement zu bewerten, wenn sich junge Menschen in einem Gemeinderatsgremium engagieren, denn diese Aufgabe ist besonders zeitintensiv. Der Freie Wähler Tim Ruster (21), Marius Steigerwald von den Grünen (21) und der Christdemokrat Sophian Habel (23) waren sich beim Interviewtermin mit der LAZ daher auch einig: Wer am Ratstisch durchblicken will, der muss viel Zeit investieren und sich auf die Sitzungen gut vorbereiten.
Seit der letzten Kommunalwahl sitzen drei ehemalige Jugendstadträte im Ratsgremium und darauf ist auch der Ladenburger Bürgermeister Stefan Schmutz richtig stolz: „Viele Kommunen wünschen sich einen Generationswechsel – wir in Ladenburg haben ihn geschafft“, sagte Schmutz auf Anfrage. Das Stadtoberhaupt findet es hilfreich, dass in Ladenburg der Jugendgemeinderat eng in die kommunalen Entscheidungsprozesse eingebunden wird, so dass schon im Jugendrat viel Erfahrung gesammelt werden kann. „Sophian Habel, Marius Steigerwald und Tim Ruster bereichern mit ihrer engagierten Sacharbeit und ihren Beiträgen die Beratungen in den Fachausschüssen und im Gemeinderat. Sie bringen neue Perspektiven und neue Themen in die Diskussion ein. Zukunftsorientierung und Nachhaltigkeit sind den drei jungen Menschen wichtig – und das ist auch gut so“, sagte Schmutz, dass die drei Stadträte schon nach gut einem Jahr in ihrer Rolle angekommen sind.
Die Einarbeitung sei schon ein dickes Brett gewesen, meinte Sophian Habel, zumal die Neulinge sich umgehend mit dem neuen Haushaltsrecht befassen mussten. Ruster und Steigewald lobten Stadtkämmerer Daniel Müller, der sich viel Zeit nahm um die Haushaltsmechanismen zu erklären. Auch die „alten Hasen“ in den jeweiligen Fraktionen stehen dem Nachwuchs zur Seite, denn vom Erfahrungsschatz eines Günther Bläß (CDU), einer Gudrun Ruster (FWV) oder eines Alexander Spangenberg (Grünen) können die jüngsten ihrer Fraktion nur profitieren. Bereut hat es bisher noch keiner der drei Jungstadträte, viele Stunden am Ratstisch zu sitzen. „Die Themen sind spannend und es macht stolz, wenn man die Zukunft Ladenburgs mitgestalten darf“, waren sich die drei auch in diesem Punkt einig. Man lernt ständig dazu und das sei schließlich nicht das Schlechteste, lachten die drei Räte.
Am Ratstisch haben die drei Jung-Stadträte schon einiges bewirkt
Alle sind übrigens in Ladenburg aufgewachsen und haben diese Stadt ins Herz geschlossen. Für sie ist klar, ihr „Gastspiel“ am Ratstisch ist ein langfristiges Projekt. „Ich bin in Ladenburg verwurzelt und plane nicht umzuziehen“, meinte Steigerwald, der kürzlich seine Lehre als Mechatroniker abgeschlossen hat und nun anfängt, Maschinenbau zu studieren. Gefestigt im Beruf ist auch Habel, der Polizist bei der Bundespolizei ist. Seine Dienststelle ist Mannheim und er stimmt seinen Dienstplan mit den Sitzungsterminen ab. Tim Ruster bereitet sich derzeit auf seinen Bachelor-Abschluss vor. Der Physiotherapeut kann sich gut vorstellen, dass er später einmal den Schritt in die Selbstständigkeit gehen wird.
Besonders freut es die innovativen Kräfte am Ratstisch, dass ihre Ideen aufgegriffen werden. Ruster hat schon einige Vorschläge zum Thema „fahrradfreundliches Ladenburg eingebracht, Habel hat sich für die Stärkung des Gemeindevollzugsdienstes stark gemacht und Steigerwald denkt, dass seine Idee, Xavier Naidoo die rote Karte zu zeigen, ein erfolgreicher Vorstoß war. „Natürlich sind nicht alle Vorschläge mehrheitsfähig – aber Ablehnungen gehören eben zum demokratischen Findungsprozess“, meint Habel. Einig sind sich die drei beim Thema „Transparenz“. Mit dem Bürgermeister haben sie alle einen guten Kontakt. „Man merkt, dass er ein junger Bürgermeister ist. Er versteht unsere Sprache“, findet Steigerwald. Trotzdem wünschen sie sich mehr Transparenz seitens der Verwaltung. Das würde besser gehen in Ladenburg, so die einhellige Meinung der drei Nachwuchs-Kommunalpolitiker. Sie kritisieren aber auch so manche Detailverliebtheit bei den älteren Ratsmitgliedern. Die Sitzungen könnten schon effektiver über die Bühne gehen – Wiederholungen bei den Stellungnahmen müssten nicht sein, findet Habel.
Das derzeit spannendste Thema sei der Bau der neuen Dreifeld-Sporthalle. „Es wird höchste Zeit, dass wir dieses Jahrhundertprojekt umsetzen“, meint Ruster, der selbst aktiv Volleyball spielt und genau weiß, wo die hallensporttreibenden Vereine der Schuh drückt. Habel und Steigerwald wissen, dass ihnen noch ein Gesprächsmarathon bevor steht. Es gelte möglichst viele Wünsche der Vereine zu berücksichtigen. Sie beziehen aber auch klar Position, wenn aus Kostengründen nicht alle Anliegen erfüllt werden können.
Eine offene Kommunikation ist den drei Jungstadträten wichtig. Wegen Corona fallen derzeit die traditionell vom jüngsten Stadtrat – dies ist Marius Steigerwald – organisierten Nachsitzungen in den Gaststätten aus. In dieser ungezwungenen Atmosphäre wurden schon so manche Missverständnisse aufgeklärt, meinte Habel, der sich ebenso wie seine beiden Ratskollegen wünscht, dass diese Kommunikationsplattform bald wieder eingerichtet werden kann.
Dieser persönliche Angriff hat mich irritiert
Am Ende des Gesprächs wurde auch das Thema Respekt aufgegriffen. Alle drei sind in ihrer Fraktion, trotz ihres jungen Alters, anerkannt und respektiert. „Das tut natürlich gut“, meinten Steigerwald und Ruster. Eine weniger schöne Erfahrung musste in der letzten Ratssitzung Sophian Habel machen, als er vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Steffen Salinger „recht oberlehrerhaft“ – so empfand es Habel - behandelt wurde. „Dieser persönliche Angriff Sophian gegenüber hat auch mich irritiert“, meinte Tim Ruster und auch Steigerwald fand die Aktion Salingers unnötig und nicht gut. „Solche Entgleisungen wie das Abfragen meiner Mathematikkenntnisse braucht kein Mensch“, erzählt Habel, der als Polizist immer wieder mal „blöd angemacht wird“. Am Ratstisch will er dies allerdings nicht akzeptieren. Alle sind sich einig, dass Emotionen eine Debatte bereichern können – aber Angriffe unter die Gürtellienie sollten natürlich vermieden werden.
Dass manche Spitze im Eifer des Gefechtes passiert, weiß auch Bürgermeister Schmutz. Für ihn ist die Atmosphäre am Ratstisch gut und er bemerkte, dass Respekt für ihn keine Frage des Alters ist. Ein Einschreiten wegen Salingers Wortwahl hielt Schmutz nicht für angebracht. „Die jungen Wilden brauchen keinen Welpenschutz“, meinte Schmutz, für den die Zusammenarbeit der älteren und jüngeren Ratsmitglieder durchaus intakt ist.
Autor:Axel Sturm aus Ladenburg |
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