Mensch sein setzt Menschlichkeit voraus

Ruth Steinfeld (Mitte) war es eine Ehre, dass die Ausstellung „Nachbarn 1938“ im Holocaust-Museum Houston gezeigt werden konnte.    | Foto: Foto: Holocaust-Museum Houston
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  • Ruth Steinfeld (Mitte) war es eine Ehre, dass die Ausstellung „Nachbarn 1938“ im Holocaust-Museum Houston gezeigt werden konnte.
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Bürgermeister Stefan Schmutz und die Ladenburg-Delegation kehrten tief beeindruckt aus Houston/Texas zurück / Im Holocaust-Museum wurde die Ausstellung „Nachbarn 1938“ eröffnet

Als der Ladenburger Bürgermeister Reinhold Schulz im Jahr 1990 die überlebenden Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde zu einem Gastbesuch nach Ladenburg einlud, waren auch die Geschwister Lea Weems und Ruth Steinfeld geb. Krell dabei.

Aus der ersten beeindruckenden Begegnung entwickelten sich sogar tiefe Freundschaften, die bis zum heutigen Tag nicht zuletzt durch die Sprecherin des Arbeitskreises „Jüdische Geschichte“, Ingrid Wagner gepflegt werden. Lea Weems und Ruth Steinfeld besuchten die Stadt ihrer Kindheit immer wieder und sie und ihre Familien waren auch dabei, als im Lobdengau-Museum die jüdische Abteilung eröffnet wurde oder als vor dem ehemaligen Wohnhaus der Krell-Geschwister in der Weinheimer Straße die Stolpersteine verlegt wurden.
Es gibt nur wenige Kommunen in Baden, die ihre jüdische Vergangenheit wissenschaftlich so genau aufgearbeitet haben wie Ladenburg.

Das 1992 vom jüdischen Arbeitskreis herausgegebene Buch „Die jüdischen Ladenburger“ bildete die Grundlage für eine Ausstellung, die im Beisein einer sechsköpfigen Ladenburg-Delegation am 23. Februar im Holocaust-Museum in Houston eröffnet wurde. Bereits 2015 hatte das Lobdengau-Museum eine Vereinbarung mit dem Heidelberg Zentrum Kulturelles Erbe (Heidelberg Center for Cultural Heritage HCCH) getroffen, die die Basis für die Ausstellung „Nachbarn 1938 – wir waren alle Ladenburger“ war. Als die Ausstellung am 9. November 2018 im Lobdengau-Museum eröffnet wurde, waren auch Ruth Steinfeld geb. Krell und ihre Familie anwesend und es wurde schon damals der Wunsch geäußert, die beeindruckende Ausstellung auch im Holocaust-Museum Houston zu präsentieren.

Studierende der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, die maßgeblich an der Ausstellungserstellung beteiligt waren, übersetzten die Ausstellung ins Englische, sodass sie am 23. Februar in Houston präsentiert werden konnte. Die Ausstellungsgestalter Amelie Sagasser, Svenja Graf-Wieler und Christoph Beckmann unterstrichen in Houston, dass die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Ladenburg viele Jahrhunderte friedlich zusammenlebten, bis die Wahnideen der Nationalsozialisten das Leben auch in der badischen Kleinstadt veränderten. Die Kinder Ruth und Lea Krell wurden am 22. Oktober 1940 zusammen mit weiteren 27 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde in das Lager Gurs in Südfrankreich gebracht. Eine Hilfsorganisation rettete das Leben der beiden Geschwister, die in die USA fliehen konnten.

Eindrücke, die man nie vergisst

Für den Ladenburger Bürgermeister Stefan Schmutz war es daher besonders eindrücklich, dass er im Holocaust-Museum die Ausstellung „Nachbarn 1938“ eröffnen durfte. „Es gibt Eindrücke, die vergisst man nie in seinem Leben – und einen solchen Moment durften wir in Houston erleben“, sagte Schmutz in einer Presse-Konferenz am vergangenen Mittwoch.

Schmutz sprach in den USA von einer „ganz besonderen Ehre“, weil er zu einem Anlass sprechen durfte, der in Ladenburg nachwirken wird. „Wir sind heute hier, weil es eine besondere Verbindung zwischen Ladenburg und der Metropole Houston und dem Holocaust-Museum gibt“, sagte der Bürgermeister im Beisein des Generalkonsuls Kai Henning. Die Verbindung gründet sich nämlich auf eine besondere Freundschaft zwischen Menschen, die zum einen die Vergangenheit verbindet und zum anderen ein gemeinsamer Wunsch eint: „Wir müssen stets daran erinnern, dass Mensch sein, Menschlichkeit voraussetzt“, sagte Schmutz, der bekräftigte, dass es sich Ladenburg zur Aufgabe gemacht hat, nach den Spuren jüdischen Lebens zu suchen, die NS-Verbrechen aufzuarbeiten und öffentlich zu benennen. „Dies sind wir den Opfern schuldig. Wir wollen aber auch, dass unsere Kinder in einer besseren Welt aufwachsen“, sagte der zweifache Familienvater Schmutz.
Der Bürgermeister betonte, dass Menschen wie Ingrid Wagner und Jürgen Zieher dafür verantwortlich sind, dass das jüdische Leben in Ladenburg Namen, Gesichter und Biografien zurückerhalten hat. „Die Erinnerung an die jüdische Kultur muss geweckt werden, damit die Verbrechen des NS-Terrors niemals relativiert und niemals vergessen werden“, meinte der Bürgermeister. Der dankte in Houston dem Leiter des Lobdengau-Museums, Andreas Hensen und Amelie Sagasser, die die Ausstellung maßgeblich begleitet haben.

Beeindruckt waren die Nachkommen der im Jahr 2018 verstorbenen Lea Weems und deren Schwester Ruth Steinfeld auch von einem persönlichen Vortrag des Historikers Jürgen Zieher, den er vor den Mitgliedern der Familien Markowitz und Mucasey hielt. Zieher glänzte mit einem Detailwissen, das die Nachkommen von Lea Weems und Ruth Steinfeld so nicht erwarteten. „Wir konnten in Houston unsere gemeinsame Verbindung auf ein neues Level heben. Wir sind außerordentlich dankbar für die Gastfreundschaft – wir spüren große Dankbarkeit“, sagten Schmutz und Zieher am Ende des Pressegesprächs.

Sehr gut angekommen sei auch das Gastgeschenk Ladenburgs an die Nachkommen der Familien Weems und Steinfeld. Die Ladenburger Künstlerin Gudrun Schön-Stoll, die heute mit ihrer Familie im Haus der Familie Krell in der Weinheimer Straße lebt, gestaltete eine Bildserie mit sechs Exemplaren, die Schön-Stoll „Zuversicht“ nannte.
Auch die Pflege der Kontakte kam nicht zu kurz. Die Delegation traf sich mit Ruth Steinfeld zum großen Steak-Essen. Zudem verlängerte BM Schmutz die Reise für einen verlängerten USA-Besuch. Natürlich zahlte Schmutz die Reise privat.

Autor:

Axel Sturm aus Ladenburg

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