Früher fuhren die Schlittenfans den Lumbebuggel runter – heute pilgern die Eltern mit ihren Kindern nach Lampenhain zum Ladenburger Hausberg
Schlittenfahren in Ladenburg? Die Ladenburger gehen lieber ins Pisten-Asyl
Die Ladenburger haben ja viele Besonderheiten vorzuweisen, aber „richtige Berge“ - wie die Schriesheimer Nachbarn - haben die Römerstädter nicht. Für viele Eltern kann das urplötzlich zum Problem werden, wenn ihre Kleinen beim ersten Schneefall nach einer Piste zum Schlittenfahren suchen. Ganz ehrlich: Richtigen Fahrspaß werden die Kinder in Ladenburg keinen haben, denn Fünfsekundenfahrten auf dem Schnee sind selbst bei wenig verwöhnten Schneehasen nicht wirklich ein Hit.
Die Ladenburger Eltern stehen im Winter – zum Glück schneit es ja nicht oft – unter einem enormen Handlungsdruck. Gut, dass die Schriesheimer den Ladenburgern eine Art „Pisten-Asyl“ gegeben haben, denn gleich hinter dem Kohlhof Richtung Lampenhain bekamen die Ladenburger ihren Hausberg, den „Ladeberg“ zugewiesen.
Der ist zwar nicht ganz so schön wie die Rodelbahn für die Schriesheimer, aber die Ladenburger Flachland-Tiroler sind bekanntlich genügsam und dankbare Zeitgenossen. Fakt ist, wenn der erste Schnee liegen bleibt werden auch im berglosen Ladenburg die Schlitten ausgepackt und man fährt voller Erwartungen zum Ladenburger Hausberg Richtung Odenwald. Die Kinder sausen die rund 500 m lange Rodelbahn hinunter und die Eltern stehen mit einer Thermoskanne Glühwein auf dem „Ladeberg“ um ihre Kinder zu beäugen. Es soll auf dem Hausberg oft recht lustig zugehen – wenn Schnee liegt – denn die Ladenburger Eltern schätzen „Après-Ski“ oder besser „Après-Schlitten“ und nicht selten wird bei der Nachhausefahrt am späten Nachmittag die Promillegrenze überschritten.
Früher war übrigens alles anders (und vielleicht auch besser). Die Ansprüche waren noch bescheiden und statt einer langen Rodelpiste genügte den Ladenburger Kindern damals ein „einfacher Buggel“. Der Buggel (hochdeutsch Buckel) war bei den Kleinen sehr beliebt. 2.50 m fuhren die Kinder auf ihren Holzschlitten vom oberen Seilergraben hinunter auf die Neckarstraße. Wer gut gewachste Kufen hatte, konnte mit seinem Schlitten sogar den gegenüberliegenden Wasserturm-Sportplatz erreichen.
Ganz mutige Schlittenfahrer wählten für ihre Schussfahrten den Neckardamm aus. Es konnte zwar passieren, dass man mit seinem Kufen-Gefährt in den eiskalten Neckar fuhr – aber ein gewisses Risiko gehörte dazu, wenn man Fahrspaß haben wollte.
Auf dem zugefrorenen Neckar hatten die Kinder viel Spaß
Früher waren sogar Schlittenfahrten auf dem Eis möglich. Im Winter 1962/63 fror der Neckar zum letzten Mal zu. „Für was braucht man Berge – wir haben eine Schlittenbahn auf unserem Neckar“, war das Motto der Ladenburger, die damals den Schriesheimern übrigens „Eis-Asyl“ gaben, damit sie den zugefrorenen Neckar betreten konnten. Wenn man mit dem Schlitten vom Damm auf den eisbedeckten Neckar schlitterte, kam man nicht selten erst in der Mitte des Flusses zum Stehen.
Auch die Eishockeyfans kamen im Winter 62/63 auf ihre Kosten. Es gab sogar Mannschaftsspiele zwischen Ladenburg und Neckarhausen, bei denen nach den Derbys der ein oder andere Zahn auf der Eisfläche gesucht wurde.
„Wenn es dem Esel zu wohl wird – geht er aufs Eis“, ist ein Sprichwort, das auch auf einige Burschen in der Fastnachtskampagne 1963 zutraf. Beim Fastnachtsball im Bahnhofhotel wettete ein Ladenburger Narr, dass er mit seinem VW-Käfer über den zugefrorenen Neckar nach Neckarhausen fahren wird. Die Wette gewann der Ladenburger gegen seinen Neckarhäuser Kumpel, der nicht schlecht staunte, als der Wettsieger mit seinem VW die Uferseite von Neckarhausen erreichte.
Bis in die 1950er Jahre gab es in Ladenburg zwei Schlittenbahnen, die damals vollkommen genügten, um ein wenig Spaß zu haben. Schlitten fahren konnte man am sogenannten Milchbuggel an der Bleiche. Der Milchbuggel hatte seinen Namen von der Milchzentrale in der Kellereigasse. Man musste also von der Wallstadter Straße nur den Milchbuggel hochlaufen und schon stand man fast am Tor der Milchzentrale. Heute steht hier das Hotel „Cronberger Hof“.
Dann gab es noch den sogenannten Lumbebuggel (Lumpen waren Stofffetzen), wo das Schlittenfahren möglich war. Am Lumbebuggel stand bis in die 1950er Jahre die Dreschhalle, in der die Bauern ihr Getreide dreschen konnten. In der Dreschhalle wurden auch Lumpen gesammelt, mit denen sich der Betreiber ein paar Mark dazuverdienen konnte.
Für die Kinder der Römerstadt waren der Lumbebuggel und der Milchbuggel ihre Ladenburger Berge. Darüber konnten die Kinder in Schriesheim nur milde lächeln, denn die hatten mit der Branich-Abfahrt und der Strahlenburg-Piste wirkliche schnittige Rodelbahnen – aber das wussten die Ladenburger Kinder nicht, die daher mit ihrem Milch- und Lumbebuggel glücklich waren.
Autor:Axel Sturm aus Ladenburg |
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