„Bereits leidige Seuchen hin und wider sich ergeben“ – Seuchen im Rhein-Neckar-Kreis über die Jahrhunderte
Von der Pest zu Corona
Im Gang der allgemeinen und lokalen Geschichte über die Jahrhunderte hinweg haben immer wieder Epidemien der Bevölkerung zugesetzt, auch im heutigen Rhein-Neckar-Kreis. Wie sehr die verschiedenen Krankheiten die Menschen erschrecken, ja Tod verbreiten konnten, das spüren alle durch die aktuelle Corona-Pandemie.
Aber keine Krankheit, besonders im Mittelalter, wütete schlimmer in Europa als die immer wieder auftretende Pest. Wahrscheinlich verbergen sich unter diesem Namen verschiedene, nicht nur die durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöste Epidemien, die in ihrem Charakter und ihren Ausmaßen nicht mehr klar abzugrenzen sind. Aus verschiedenen Chroniken ist zu entnehmen, dass es in unseren Breiten schon im 12. und 13. Jahrhundert (1125, 1223, 1227) eine der Pest ähnliche Krankheit gab, dann brachte der „Schwarze Tod“ zwischen 1347 und 1351 geschätzte 25 Millionen Menschen um, ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. Allein in Heidelberg wurden für das 15. Jahrhundert zwölf und für das 16. Jahrhundert 16 Pestjahre erwähnt, schildert Berno Müller vom Kreisarchiv Rhein-Neckar-Kreis.
Die letzte große Pestepidemie erfasste die Kurpfalz 1666, wo sie nicht nur für Heidelberg und Mannheim, sondern auch für Weinheim, Wiesloch, Sinsheim und viele Gemeinden des Kreises genannt wurde. Sie soll annähernd 14.000 Menschen das Leben gekostet haben. Die Universität verlegte ihren Lehrbetrieb von Heidelberg nach Eppingen in ein Ausweichquartier. Als die Pest 1770 in Polen und weiteren östlichen Ländern ausbrach und darüber Kurfürst Carl Theodor „vergewisserte Nachrichten zu Ohren gekommen“ waren, erließ er ein Edikt „zur Erhaltung unserer lieben getreuen Unterthanen in gesegnetem Wohl“. Die Verordnung vom 11. Oktober 1770 regelte in 18 Absätzen u. a. Straßensperrungen und Grenzkontrollen, dass man nur noch mit einem Pass einreisen durfte – und dann 42 Tage in Quarantäne musste; gleiches galt übrigens auch für einzuführende Waren.
Im mittelalterlichen Europa hatte sich ab dem späten 11. bis ins 16. Jahrhundert die Lepra ausgebreitet, für die es kein Gegenmittel gab und die für die Infizierten meist in einem qualvollen Tod endete. Wegen der akuten Ansteckungsgefahr schottete man diese armen Seelen von der übrigen Bevölkerung ab, grenzte sie aus in sogenannten „Gutleuthöfen“, von denen noch Kapellen in Schlierbach und Mosbach zeugen. Kirchen hatten manchmal Siechenfenster, durch die Infizierte die Kommunion empfangen konnten. Wenn „bereits leidige Seuchen hin und wider sich ergeben“, wie es der Heidelberger Stadtpfarrer 1776 formulierte, ob bei Mensch oder Vieh, begegnete man ihnen oft mit Bittgebeten und Prozessionen. Ebenso sollten die in den ‚Weihebüschel‘ gebundenen Kräuter, die an Mariä Himmelfahrt gesegnet wurden, schon immer gegen Krankheiten schützen.
Im 15. Jahrhundert trat erstmals die Syphilis auf und verbreitete sich rasch – und hält sich bis heute. Ähnlich erging es mit den Pocken, zuerst „Blattern“ genannt, ausgelöst durch ein Virus, gegen das es erst im 19. Jahrhundert eine Impfung gab. Die letzte große Epidemie überzog Deutschland nach dem Ende des Krieges mit Frankreich 1870/71. In der frühen Neuzeit setzte vor allem in Schlechtwetterperioden des Frühjahrs das „Antoniusfeuer“, eine durch Mutterkorn genannten Pilz im feuchten Getreide ausgelöste Vergiftung, den Menschen zu, und es grassierte der Englische Schweiß, eine hochinfektiöse Krankheit. Sie trat erstmals in England auf (1485), ging mit heftigen Schweißausbrüchen einher und war meist tödlich, 1529 erreichte sie unsere Region.
Dass der Dreißigjährige Krieg verheerende Seuchen, mit durch Hungersnöte verursacht, ins Land brachte, ist einleuchtend, selbst wenn genaue Zahlen über den Verlust an Menschenleben fehlen. So nannte der Dekan des Klosters Sunnisheim 1637 den „schwarzen Hunger“, erwähnt werden für diese Zeit die Rote und die Weiße Ruhr, ebenso wie die noch lange existierende Cholera fiebrige Durchfallkrankheiten, bei denen die Menschen durch Austrocknung binnen weniger Tage starben. Hoch war besonders die Kindersterblichkeit, gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Kirchenbüchern dokumentiert vor allem im Herbst und Winter durch Masern, blauen Husten (Keuchhusten) und Diphtherie. Auch Typhus trat auf, besonders noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg, etwa in der Region Buchen und hier.
Viele der genannten Krankheiten konnten durch die Fortschritte der Medizin inzwischen beherrscht oder geheilt werden. Anders sieht es bei den von Viren ausgelösten Epidemien aus, etwa der in der jüngsten Berichterstattung oft genannten Spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 weltweit schätzungsweise 40 bis 70 Millionen Menschen tötete. Seither gab es immer einmal wieder größere Ereignisse, die hierzulande die Gesundheits- und Veterinärämter und alle Gesundheitseinrichtungen, sogar manchmal die Katastrophenbehörden beschäftigten, wie die Asiatische Grippe ab 1957, die Hongkong-Grippe ab 1968, die zu Todesfällen führten.
Vorsicht war bei der Vogelgrippe geboten, deren Virus ab 1997 die Menschen beunruhigte, genau wie die Hantaviren-Epidemie 2002 in Baden-Württemberg. Ebenfalls 2002 tauchte SARS, das schwere akute respiratorische Syndrom, auf (bis 2004), die Schweinegrippe, eine Pandemie des H1N1-Virus 2009/10, MERS, das Middle East Respiratory Syndrome, das SARS ähnelt, und seit seiner ersten Meldung im Jahr 2012 sich in 27 Ländern ausgebreitet hat. Das Virus entstammt ebenso der Corona-Gruppe wie das neue Coronavirus COVID-19, das sich als Pandemie weltweit verbreitet hat. Bis heute haben sich gemeldete 19 Millionen Menschen infiziert, über 700.000 Menschen sind bereits gestorben. Deshalb gilt es, auch im Rhein-Neckar-Kreis, weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, das Virus einzudämmen, die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten, um weitere lokale Ausbrüche so weit wie möglich zu unterbinden.
Autor:Die Redaktion aus Ladenburg |
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