Der Baumschulen-Gärtner Aziz Dibrani hat sich in Ladenburg bestens integriert / Sein Ausbildungsbetrieb hat viel investiert und hofft die Ernte einfahren zu können
Wenn Integration keine Einbahnstraße ist
Als der 24-jährige Aziz Dibrani vor sieben Jahren mit seiner Frau Halima und ihren zwei Kindern vom Kosovo nach Deutschland flüchtete, waren die Lebensperspektiven der Familie alles andere als rosig. Die Dibranis verließen ihre Heimat, weil sie in ihrem Land keine Zukunftsperspektiven hatten. Sie sind Angehörige der Sinti und Roma und hatten es in dem armen Land besonders schwer. "Es gab nur Gelegenheitsjobs, das Essen war knapp und die Kinder hatten keine Bildungschancen", erzählte Aziz beim LAZ-Besuch in der Baumschule Huben.
Vor einigen Wochen wurde in der Jahreshauptversammlung des Hilfsvereins INT.AKT von Petra Fuhry bemängelt, dass viel zu wenig über erfolgreiche Integrationsgeschichten berichtet wird. „Die Geschichte der Familie Dibrani ist eine erfolgreiche Geschichte“, kontaktierte Max Keller danach die LAZ, um einen Artikelanstoß zu geben.
Ein Blick zurück: 2014 kamen die Dibranis nach ihrer Flucht in Karlsruhe an, wo der Mann aus dem Kosovo einen Asylantrag stellte. Die Erstunterbringung war dann in einer Kaserne in Schwetzingen, wo Aziz zufällig Sabine Weil kennen lernte. Sie besuchte als Mitglied des Ladenburger Arbeitskreises Flüchtlinge eines Bekannten und hörte davon, dass die Familie Dibrani von Schwetzingen nach Ladenburg umziehen soll. „Sabine Weil vermittelte, dass Ladenburg eine schöne Stadt mit netten Menschen ist", erinnerte sich Aziz an die erste Begegnung mit einer Ladenburgerin. Und Sabine Weil sollte Recht behalten. Die Familie aus dem Kosovo, die am Anfang kein Wort Deutsch sprach, wurde von den Arbeitskreismitgliedern fürsorglich betreut. Arbeitskreisleiter war damals Max Keller, der erkannte, dass sich die Dibranis schnell integrieren wollen. "Aziz fiel mir auf wegen seiner Einstellung. Er hatte einen guten Charakter und wollte arbeiten", erinnert sich Keller, der technischer Betriebsleiter in der Baumschule Huben ist.
Er sprach seinen Chef Andreas Huben an, ob er Aziz nicht als Baumschulen-Helfer beschäftigen kann. Huben war einverstanden und Keller nahm den ehrgeizigen jungen Mann unter seine „Fittiche“. Die Kommunikation war schwierig. Aziz, der nur die kyrillische Schrift kannte, musste nun das Alphabet erlernen. Mit der Kommunikation wurde es von Tag zu Tag besser und es war hilfreich, dass mit Asllan Murseli ein Landsmann in seiner Arbeitsgruppe war. Der Familienvater lernte schnell, so dass er in der Obst-Kolonne beim Roden, Umtopfen und Bündeln eingesetzt werden konnte. Er interessierte sich sehr – aber als Helfer waren die Entwicklungsmöglichkeiten begrenzt. Keller regte nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten Andreas und Julian Huben an, Aziz eine Ausbildung zum Baumschulengärtner anzubieten. Allen war klar, dass die theoretische Ausbildung an der Berufsschule wohl die größte Hürde sein wird. Der im Arbeitskreis tätige Lehrer Gerd Nover war aber zuversichtlich, dass der Auszubildende seine Chance nutzen wird. Er gab Aziz in Deutsch und Mathematik Nachhilfe und das mit Erfolg. Die im Jahr 2017 begonnene Ausbildung konnte Aziz, nachdem er das zweite Lehrjahr freiwillig wiederholte, im Herbst mit der Gesellenprüfung zum Baumschulengärtner erfolgreich abschließen. Es sei ein ganzes Netzwerk gewesen, in dem Evi Paukert-Kunz, Maria Kratzert, Brigitta an der Heiden und Sabine Weil mitgearbeitet haben, damit Aziz seine Prüfung bestehen konnte, sagte Keller.
Julian Huben: „Das ist megagut gelaufen"
Für Aziz waren die Lehrjahre eine harte Zeit. Nach der Arbeit musste er weiter pauken und am Wochenende war zuhause bei Max Keller Pflanzenkunde, angesagt. Die junge Familie hat mittlerweile fünf Kinder, die sich prächtig entwickelt haben. Mukili (12 Jahre) besucht sogar die Realschule. Die vier Jüngsten besuchen die Werk-Realschule, die Grundschule und den Kindergarten.
Zwar erhält die Familie Kinder- und Wohngeld, aber Aziz ist jetzt bald in der Lage den Lebensunterhalt für die Familie alleine zu sichern. Am 1. Juli hat er einen festen Arbeitsvertrag unterschrieben und die nächsten Herausforderungen stehen schon an. Aziz wurde für den LKW-Führerschein angemeldet, was ihm die Baumschule Huben finanzieren wird. "Ich bin zuversichtlich, dass die Firma nun ernten kann. Bis jetzt haben wir viel in die Ausbildung von Aziz investiert“, sagte Keller, der sich mit Julian Huben einig ist, dass Aziz ein wichtiger Mitarbeiter für den Betrieb werden wird. „Das ist megagut gelaufen mit Aziz. Wie er die Tiefen, die es auch gegeben hat, gemeistert hat, das war schon imponierend", sagte Julian Huben der LAZ. Er wies darauf hin wie schwierig es heute ist, Auszubildende zu bekommen, denn der Beruf des Baumschulen-Gärtners ist schließlich kein Zuckerschlecken.
Das ganze Integrationsteam hofft natürlich, dass Aziz und seine Familie möglichst schnell eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Die Rechtslage ist so, dass die Familie quasi von heute auf morgen in den Kosovo abgeschoben werden kann. „Der Gedanke zehrt an den Nerven. Jede Nacht denke ich an ein solches Szenario", sagte Aziz im fast akzentfreien Deutsch der LAZ. "Eine Abschiebung wäre wirklich Wahnsinn", ergänzte Keller, der auch den Behördenschriftverkehr für die Familie erledigt. Ganze vier Aktenordner mit dem Vermerk "Familie Dibrani" stehen im Wohnzimmerschrank von Keller.
„Max ist unser Retter“, zeigt sich Aziz dankbar, dass er und seine Familie in Deutschland Fuß fassen konnten. Er erzählte mit einem Augenzwinkern abschließend eine Geschichte, wie er von Max „zwangsverheiratet" wurde.
Max Keller war sich mit Halima einig, dass die Eltern von fünf Kindern eigentlich verheiratet sein sollten. Daher bereiteten sie ohne Wissen von Aziz eine standesamtliche Hochzeit vor. Dem nichtsahnenden Bräutigam wurde von Max gesagt, dass er am 1. Juli um 11 Uhr im Ladenburger Rathaus einen wichtigen Termin hat. Er solle sich hübsch anziehen, denn der Eindruck sei bei diesem Termin entscheidend. Als Aziz dann die Zimmernummer im Rathaus gefunden hatte, staunte er nicht schlecht: Es war das Standesamt. Als er die Tür öffnete, sah er seine Frau im Brautkleid und seine Kinder, die festlich gekleidet waren. "Ich dachte, ich muss mich jetzt verkriechen", lachte der fünffache Vater und jetzt offizielle Ehemann. Den Tag seiner Hochzeit wird Aziz übrigens nie vergessen. Dass er einmal eine solche Geschichte erleben kann, das hätte sich Aziz vor seiner Einreise ins unbekannte Deutschland niemals erträumt.
„Ein Traum“ wäre es für die Familie auch, wenn sie eine neue Wohnung finden würde. Kürzlich hat die katholische Kirchengemeinde die Wohnung, in der die Dibranis wohnen, wegen Renovierungsarbeiten bei der Stadt gekündigt. „Jetzt brauchen wir eine neue, geeignete Bleibe“, sagte Keller der LAZ, der auf eine erfolgreiche Fortschreibung der Geschichte hofft.
Autor:Axel Sturm aus Ladenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.