Zusammenfinden, zusammen feiern: der Weg zur neuen Pfarrei

Das gemeinsame Evangeliar, dessen Einband die Künstlerin Veronika Drop gestaltet hat. | Foto: Foto: Lena Kneusels
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Vom Gemeindefest bis zur Gründungsvereinbarung: Einblick in die Kirchenentwicklung an der Nordbadischen Bergstraße

Die Blätter an den Bäumen rascheln im Wind, während das Evangeliar mit Leuchtern und Weihrauch zum Ambo getragen wird. Die Gemeinde erhebt sich von den orangefarbenen Festbänken und verfolgt die Prozession an diesem kühlen Sommertag im Benzpark in Ladenburg. Um 8 Uhr hat es noch geregnet, als ein Team aus Ehrenamtlichen Zelte aufgebaut und Kirchenlieder geprobt hat. Um 10 Uhr sind die Bänke trockengewischt, Liedblätter verteilt und Ministranten in ihre Gewänder geschlüpft. Die Gebete für gutes Wetter wurden erhört!

Es ist der 15. Juni 2024, ein Tag, auf den die Projektleitung der Kirchenentwicklung lange hingearbeitet hat. Sie hat ein Gemeindefest für die zukünftige Pfarrei
Nordbadische Bergstraße organisiert, um die anstehende Gründungsvereinbarung zu feiern. Mit diesem Begriff können jedoch die wenigsten Gottesdienstbesucher etwas anfangen. Sie sind vor allem gekommen, um die Gesichter hinter den Pfarreien kennenzulernen, die in zwei Jahren zur neuen Gemeinde gehören werden.

Arbeitsgemeinschaften entwickeln Konzept für die neue Gemeinde

Hemsbach, Weinheim-Hirschberg, Ladenburg-Heddesheim, Schriesheim-Dossenheim und Steinachtal: Das sind die fünf Seelsorgeeinheiten, die ab 2026 unter dem Dach einer neuen Pfarrei vereint werden. Im Oktober 2022 waren alle Interessierten und Engagierten der Pfarreien und Verbände zu einer Auftaktveranstaltung eingeladen, um das Thema Kirchenentwicklung vorzustellen und eine erste Resonanz einzuholen. „Es war ein schöner gemeinsamer Startschuss, bei dem sich die Mitglieder der verschiedenen Gemeinden kennenlernen und austauschen konnten“, erinnert sich Wolf-Dieter Wöffler, Projektkoordinator für die Kirchenentwicklung aus Weinheim. Daraufhin haben sich Arbeitsgemeinschaften zu den Themen Gemeinschaft, Gottesdienst, Jugend, Nächstenliebe, Öffentlichkeitsarbeit und Verkündigung gebildet. „Die Themen-AGs haben im Grunde genommen eine erste Bestandsaufnahme gemacht, denn ich muss ja erst einmal wissen, was ich habe, was ich brauche und was ich nicht mehr kann, damit ich Neues in Angriff nehmen kann. In die Gründungsvereinbarung sind schließlich die Ergebnisse aus diesen AGs geflossen“, erläutert der Pastoralreferent weiter.

Was ist eine Gründungsvereinbarung?

Die Gründungsvereinbarung legt fest, wie und mit welchem Schwerpunkt die neue Gemeinde die Diözesanstrategie vor Ort umsetzen möchte. Das Erzbistum Freiburg hat diese Strategie als Grundlage für die Kirchenentwicklung 2030 verbindlich festgelegt. Die Gründungsvereinbarung gewährt einen ersten Einblick in die zukünftige Ausrichtung der Pfarrei. Dabei werden zentrale Aspekte betont, die für die neue Gemeinde von großer Bedeutung sind und einen erfolgreichen Start ermöglichen sollen. Dazu zählen zum Beispiel Werte und Ziele, aber auch die Organisation der Pfarrei mit Personal- oder Finanzplanung. Dieses Arbeitsdokument wird stetig weiterentwickelt und erhebt deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Gründungsvereinbarung der Pfarrei Nordbadische Bergstraße ist auf der Website des Dekanats Heidelberg-Weinheim abrufbar.

Abschied nehmen gehört dazu

Die Themen-AGs haben anschließend über Monate darum gerungen, einen gemeinsamen Fokus zu formulieren und den Prozess auf einen guten Weg zu bringen. „Ich bin unglaublich berührt, wie viele engagierte Menschen es an diesen 19 Kirchtürmen gibt, die wir begleiten. Die AG Gottesdienst ist die größte Arbeitsgruppe im Projekt und wir haben Mitglieder aus allen Gemeinden gewinnen können. Innerhalb des letzten Jahres konnte ich beobachten, wie der Auftrag der AG zu einem Herzensanliegen wurde“, erzählt Sabine Weil, Lehrerin und Kirchenmusikerin aus Ladenburg.

Dass im Zuge der Kirchenentwicklung Veränderungen auf die Pfarreien zukommen, ist allen klar, doch das Wie und Wann beschäftigt viele Gemeindemitglieder. Wird es sonntags noch einen Gottesdienst in meiner Heimatgemeinde geben? Wenn nicht, wo treffe ich dann meine Freunde und Bekannten aus der Kirche? Wen spreche ich an, wenn ich Hilfe oder eine Mitfahrgelegenheit brauche? „Es gibt auch eine große Angst vor dieser Veränderung und viele Menschen wünschen sich, dass es weiterhin ein Komplettangebot in ihrer Pfarrei vor Ort gibt. Auf Dauer kann das aber nicht gehalten werden, da die finanziellen und personellen Mittel weniger werden. Den Menschen zu vermitteln, dass es aber auch ein Gewinn sein kann, etwas loszulassen, ist ein schwieriger Prozess“, erklärt Wolf-Dieter Wöffler.

Lieber mitgestalten, anstatt gestaltet zu werden​

Regina Kailich, Leiterin der AG Gemeinschaft, ist positiv überrascht, mit wie viel Lust und Begeisterung die Menschen das Projekt voranbringen wollen: „Unsere AG ist eine großartige und hochgradig engagierte Truppe, die sich im Prozess sehr gut ausgetauscht und vernetzt hat. Eines unserer wichtigen Themen war die Ökumene, mit der wir uns intensiv beschäftigt haben. Hier gibt es derzeit schon viele lebendige Initiativen vor Ort, die unbedingt in die Pfarrei neu mitgenommen werden müssen.“

Viele Engagierte treibt an, dass sie mitgestalten wollen, anstatt gestaltet zu werden: „Für mich war es ganz wichtig, die Chance zu nutzen, diese Entwicklung aktiv mitzugestalten. Ich halte nichts davon, nur abwartend daneben zu stehen und sich hinterher zu beschweren, dass man dieses und jenes hätte anders oder besser machen können“, sagt die Rechtsanwältin aus Ladenburg.

Evangeliar als einheitsstiftendes Element

Durch diese Arbeit der Themen-AGs ist die neue Pfarrei bereits enger zusammengewachsen und konnte viele Ideen austauschen. Um auch symbolisch mehr Einheit zu schaffen, gibt es seit dem Gemeindefest am 15. Juni ein spirituelles Element, das die Katholiken an der Nordbadischen Bergstraße bei diesem Veränderungsprozess begleiten soll. Es ist ein gemeinsames Evangeliar, dessen Einband eine Künstlerin aus der Region gestaltet hat. „Ich hatte sofort die Idee, dass Menschen darauf kommen, und zwar nicht alle in eine Richtung gehend oder alle nach oben schauend, wie man es vielleicht von früher gewohnt
ist, sondern ich wollte das bunte Gewusel in der Kirche zeigen“, erläutert Veronika Drop ihre Gedanken zur Gestaltung des Einbands. Der goldfarbene Hintergrund steht für das Göttliche: die Grundlage des Glaubens und der neuen Pfarrei. „Die bewegte Menschenschar befindet sich zwar vor und unter dem Goldgrund, steht aber auf einem dunklen Grund. Der Mensch hebt nicht ab, sondern bleibt fest geerdet“, erklärt die Künstlerin weiter.

Das Evangeliar zieht nun durch die einzelnen Kirchen, bis es schließlich seinen Platz in der Patronatskirche in Weinheim einnehmen wird. Aktuell befindet es sich in Heddesheim, anschließend kommt es nach Schriesheim-Dossenheim, und wandert dann über das Steinachtal in die Bachgemeinden nach Hemsbach. An jedem Ort verbringt es etwa drei Monate.

Gott steht im Mittelpunkt

Im Benzpark sind die Notenständer mittlerweile längst abgebaut und das Weihrauchfass wieder sicher verstaut. Nur das Evangeliar glitzert noch auf dem​ Ambo in der Mittagssonne, während die Gottesdienstbesucher in der Schlange am Flammkuchen- und Pommeswagen ins Gespräch kommen. Sebastian Feuerstein, Projektkoordinator und Pfarrer aus Heidelberg, zieht mit Eis in der
Hand Bilanz zum Tag: „Es ist schön, dass so viele Menschen zusammengekommen sind, aus allen Pfarreien, Jung und Alt, um Gott zu feiern. Im Gottesdienst war spürbar, um wen es geht und ich wünsche mir, dass wir mit dieser Einstellung weiter gemeinsam Kirche gestalten.“

Das gemeinsame Evangeliar, dessen Einband die Künstlerin Veronika Drop gestaltet hat. | Foto: Foto: Lena Kneusels
Die Karte zeigt die Ortschaften, die zur neuen Kirchengemeinde gehören.
Autor:

Die Redaktion aus Ladenburg

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