NATO PV – Sonderpräsidiumssitzung zu den Ausschreitungen im Kapitol: „Es gab Pläne, Mitglieder des Kongresses anzugreifen, zu töten oder gar hinzurichten.“
Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers
Aufgrund der Ausschreitungen im Kapitol am vergangenen Mittwoch in den USA hat Gerald Connolly, Mitglied im US-Repräsentantenhaus und derzeit Präsident der Parlamentarischen Versammlung der NATO, zu einer digitalen Sondersitzung des Präsidiums eingeladen. Im Rahmen dieser Sitzung berichteten er und zwei weitere Mitglieder des Kongresses, wie es ihnen bei den Ausschreitungen im Kapitol ergangen ist. Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers zeigte sich schockiert und diskutierte danach mit den Mitgliedern des Präsidiums über mögliche Konsequenzen und, wie es nun weiter gehen werde.
„Den Ausführungen von Connolly zu lauschen, war, als wäre ich persönlich vor Ort gewesen. Es ist schrecklich, was die gewählten Vertreter und Vertreterinnen des Kongresses miterleben mussten. Connolly erzählte, dass er im ersten Augenblick nicht wusste, was überhaupt passierte, als Sicherheitskräfte die Türen von innen abschlossen und die Abgeordneten aufforderten, ihre Gasmasken bereitzuhalten. Es wurde nämlich Tränengas in den Hallen des Kapitols eingesetzt, um die Demonstranten zurückzudrängen. Türen wurden verbarrikadiert und dennoch berichtete Connolly, dass er beobachtete, wie eine Frau versuchte, durch das Fenster der Tür zu klettern. Es war nicht abzusehen, was passieren würde, wenn die Aufständischen die Mitglieder des Kongresses auf ihrer Flucht entdeckt hätten.
Connolly sagte weiterhin, dass dieser Aufstand seit Wochen auf rechten Social Media Plattformen geplant wurde und dass die Aufständischen Leitern, Rohrbomben und Handfeuerwaffen dabei hatten. Es gab offensichtlich sogar Pläne, die Mitglieder des Kongresses anzugreifen, zu töten oder gar hinzurichten. Das Gebäude des Kapitols hat an die 400 Fenster. Einige der Aufständischen haben letztlich die Schwachstellen gefunden, um ins Gebäude zu gelangen.
Wir sind alle dankbar, dass kein Kongressmitglied oder deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den Ausschreitungen verletzt worden sind. Bei den grauenvollen Ereignissen sind dennoch fünf Menschen ums Leben gekommen. Einer davon, ein Polizeibeamter der „Capitol Hill Police“, wurde mit einem Feuerlöscher zu Tode geschlagen. Dieser Beamte war ein Konservativer, der auch als glühender Trump-Anhänger bekannt war und ihn offensichtlich auch gewählt hatte. In diesem Augenblick war er aber Polizist. Ich habe höchsten Respekt davor, dass er in dieser Situation die Herzkammer der Demokratie verteidigte.
Seit 1814, während des Britisch-Amerikanischen Krieges mit dem Brand von Washington D.C., gab es solche Bilder und Szenen nicht mehr. Dennoch haben die Kongressmitglieder die Stärke und den Mut in sich gefunden, noch in der Nacht wieder zusammenzukommen, um die Kontrolle wiederzugewinnen und die Wahl von Joe Biden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu bestätigen. So hat sich die Demokratie an diesem Abend letztlich durchgesetzt.
Connolly berichtete weiterhin, dass es zwar eine schlimme Erfahrung war, aber eine Erfahrung, die überwindbar ist und dass die Vereinigten Staaten mehr denn je entschlossen sind, die Demokratie zu bewahren und auszubauen.
Ich sprach mit den drei Kongressmitgliedern über die Zukunft, wie es nun weitergehen wird und, ob mit weiteren Ausschreitungen am 20. Januar zu rechnen sei. Der gewählte Präsident Joe Biden hat sich schon dazu geäußert, dass er dennoch – oder eben aufgrund der Ausschreitungen erst recht – am 20. Januar auf den Stufen des Kapitols vereidigt werden möchte. Dies ist ein Symbol, dass die Ereignisse die Demokratie nicht besiegen konnte. Selbst Lincoln wurde hier am Rande des Bürgerkriegs vereidigt. Die Vereidigung eines Präsidenten – an welcher ich unter Präsident Obama schon zweimal teilnehmen durfte – ist stets ein Höhepunkt im politischen Leben Washingtons.
Es wird ein Erwachen geben, die brutalen Demonstranten werden verfolgt und verurteilt werden.
Wie es jetzt in den nächsten acht Tagen weitergeht, ist noch abzuwarten. Ein Amtsenthebungsverfahren soll diese Woche noch eingeleitet werden. Eine weitere Option wäre eine Resolution, die es Trump untersagt je wieder zu kandidieren. Auch der Weg über den 25. Zusatzartikel der Verfassung für ein außerordentliches Entfernen des Präsidenten aufgrund von Amtsunfähigkeit wäre möglich. Viel Zeit bleibt aber nicht mehr. Es geht hier zwar ums Prinzip, aber ich verstehe den gewählten Präsidenten Biden sehr gut, der in diesem Punkt eher zurückhaltend ist und jetzt mit ganzer Kraft die von Donald Trump geschlagenen Wunden heilen und sein Volk versöhnen möchte. Ich selber sehe die Gefahr, dass Trump auf diese Weise für seine fanatisierten Anhänger möglicherweise zum Märtyrer wird. Das muss unter allen Umständen verhindert werden. Ich hoffe, dass die schrecklichen Bilder des 6. Januars bald verblassen und die Vereinigten Staaten das bleiben, was sie immer für mich gewesen sind: Das Modell westlicher Demokratie.
Wichtig meiner Meinung nach ist es, jetzt zu reflektieren, was passiert ist und Wege zu finden, diese schrecklichen Ereignisse zu überwinden und stärker daraus hervorzukommen.“
Autor:Die Redaktion aus Ladenburg |
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